1921 wurden erste konkrete Angaben zum Kunst- und künstlerisch-praktischen Unterricht in der Oberstufe von Rudolf Steiner getätigt. Seiner Ansicht nach genüge es ab der 9. Jahrgangsstufe nicht mehr, den Unterricht an sich künstlerisch auszugestalten. Deutlich betont er, dass von diesem Zeitpunkt an, ab dem es darum gehe, den Schüler*innen Intellektuelles innerhalb der Naturwissenschaften nahezubringen, ein Ausgleich auf einem anderen Gebiet geschaffen werden müsse.
Aus diesem Grund wurde in den Fächerkanon des Hauptunterrichts das Fach „Ästhetik“ bzw. Kunstgeschichte aufgenommen und der Handfertigkeitsunterricht, der bis heute aus Handarbeit (unterrichtet ab der 1. Jahrgangsstufe), Werken und Gartenbau besteht (beides an unserer Schule ab der 6. Klasse) und durch künstlerisch-handwerkliche Fächer erweitert wurde.
Das Prinzip des „künstlerisch“ gestalteten Unterrichts durchdringt die gesamte Waldorfpädagogik. Im kreativen Prozess der Gestaltung werden die Kinder selbst tätig, verbinden sich eng mit dem Unterrichtsgegenstand (z. B. dem vorgegebenen Bildthema) und eignen sich diesen auf eigene Weise an. Ein Wesensmerkmal des künstlerischen Erarbeitungsprozesses ist es, dass das Resultat nicht vollständig vorbestimmt ist, sondern Raum für eigene Entwicklungen lässt. Indem das Kind künstlerisch, das heißt selbst gestaltend tätig werden darf, schult es seine innerste Fähigkeit, sich selbst zu entwickeln und arbeitet damit zugleich an seiner eigenen Persönlichkeit. Dabei ist es nicht das fertige Ergebnis, auf das es ankommt – wichtig ist vielmehr der Weg, der zurückgelegt wird und die Ausdauer, derer es bedarf, um das Ziel zu erreichen. Die Heranwachsenden üben ihre Fertigkeiten und setzen die eigene Vorstellung künstlerisch um, bis ein Ergebnis erarbeitet ist.