Die Bildhauerei, auch „Steinmetzen“ genannt, folgt an der Waldorfschule auf das Plastizieren. Sie ist, im Gegensatz zur aufbauenden, nun eine wegnehmende Technik der Gestaltung – die Schüler*innen müssen aus einem größeren Werkstoff Dinge entfernen, um zu ihrem Kunstwerk zu gelangen. Es gilt nun, das bisher Gelernte der plastischen Formgesetze oder der Prinzipien der künstlerischen Gestaltung in einer Skulptur zum Ausdruck zu bringen. Dazu muss sich der/die Künstler*in mit einem neuen, spröderen Material vertraut machen.
Das Hauptthema der Epoche des elften Schuljahres ist der Mensch. Zur Darstellung kann beispielsweise ein Torso gearbeitet werden. Mit Hilfe eines Bildvortrags wird die Gruppe in die bevorstehende Arbeit eingeführt. Diesem folgt die persönliche Auseinandersetzung: Was soll gestaltet werden und wie könnte mein Kunstwerk aussehen, wenn es fertig ist. So werden in zwei Zeichnungen die Gestaltung sowie die Form und das Material (Stein, Holz, Metall u. a.) festgelegt. Der nächste Schritt ist die eigentliche Ausführung der Arbeit. Zunächst wird im bereits bekannten Material Ton gearbeitet, dann im gewählten Werkstoff. Abgebildet sind zwei Arbeiten, die in Speckstein ausgeführt wurden.
Häufig entsteht in den Schüler*innen der Wunsch, nicht einen abstrakten Torso zu erstellen, sondern eine Figur, die so menschlich wie möglich sein sollte – ein zweiter „David“ etwa, wie ihn Michelangelo schuf, nur kleiner eben, nachdem die Schüler*innen keine vier Jahre Zeit für die Arbeit haben. Spätestens wenn dann der Stein in Angriff genommen werden muss, der so gar nichts Menschliches an sich hat, beginnt die Auseinandersetzung mit sich selbst: Was kann ich, was will ich, wie komme ich zu dem von mir gewünschten Ziel? Steht dann die finale Arbeit am Ende im Ausstellungsraum, sorgfältig poliert und passend installiert, geht ein Staunen, eine Hochachtung durch den Raum. Der Stolz der Jugendlichen auf ihre eigene Arbeit ist meist ebenso groß wie die lobenden Worte der Mitschüler*innen.
Dass das Ziel jeder Epoche eigentlich ein Weg ist, wird in dieser Epoche besonders deutlich: Der Weg, aus Ungeformten etwas Schönes zu erarbeiten, indem handwerkliche Fähigkeiten ebenso wie der eigene Wille eingebracht werden. Fühlen, Wollen und Denken wurde beim Bildhauen sichtbar gemacht.