Naturwissenschaften

erfahren, erleben und erkennen

Bei uns gibt es nicht nur, wie viele Vorurteile vermuten lassen, Handarbeit, Englisch, Geschichte und Deutsch. Wie für alle Lerninhalte an unserer Schule gibt es aber eine bestimmte Art, sie den Kindern zu vermitteln, wie Caroline von Heydebrand vom Lehrplan-Team der Freien Waldorfschulen erklärt:

„Bei Waldorfpädagogik kommt es nicht darauf an, die Kinder inhaltlich etwas anderes lernen zu lassen, als sie anderswo lernen würden, sondern sie lernen dasselbe, nur auf eine andere Art.“

Beschränkt man sich beispielsweise in den Naturwissenschaften nicht auf Gesetzmäßigkeiten und Formeln, dann darf auch der gesamte Naturkundeunterricht der ersten Schuljahre als Teil der naturwissenschaftlichen Ausbildung angesehen werden. Als Schulfächer treten die unterschiedlichen Richtungen der Naturwissenschaften dann bereits im Laufe der Mittelstufe ab der fünften Klasse auf. Als erstes beginnen die Kinder der fünften Klassen mit Geografie, Physik kommt in der sechsten Klasse und Chemie in der siebten Klasse hinzu. Das Fach Biologie wird ab der neunten Klasse unterrichtet und folgt auf die Pflanzen-, Tier- und Menschenkunde in der Mittelstufe. In unserer Oberstufe, also ab Klasse neun, werden die naturwissenschaftlichen Fächer von Fachlehrern in eigens dafür vorgesehenen Fachräumen unterrichtet.

Wesentlich für die Auswahl der Themengebiete bleibt wie bei allen Lerninhalten der Waldorfschule auch hier der altersgemäße Bezug zum Kind oder Jugendlichen. So wird beispielsweise in einer achten und neunten Klasse das Knochen- und Muskelsystem des Menschen behandelt. Die pubertierenden jungen Menschen müssen es nun schaffen, die in diesem Alter besonders stark empfundene Schwere zu überwinden. Zeitgleich wird im Geografie-Unterricht beispielsweise der innere Aufbau unserer Erde besprochen.

Die klassische Mechanik mit ihren klaren Gesetzmäßigkeiten lassen wir die Schüler*innen in der zehnten Klasse erleben. Sie erkennen, dass die Welt durch unsere Denkfähigkeit verstanden, geordnet und beherrscht werden kann. Auch in der Geografie wird deutlich, wie Strömungen, Magnetfeld und Klimazonen zum Organismus Erde zusammenwirken. In der elften Klasse sind die Schüler*innen in der Lage, mit ihrer Vorstellungskraft über das Beobachtbare und das Begreifbare hinauszugelangen. Damit können zum Beispiel in der Chemie die Arbeit mit dem Periodensystem beginnen und Modellvorstellungen atomarer Strukturen entwickelt werden. Ebenso wird die Biologie bis hinein zur Zelllehre betrieben. In der zwölften Klasse soll den Schüler*innen ihre Stellung und Mitwirkung in der Welt bewusst werden. Dieses kann exemplarisch in der Optik aufgezeigt werden, wo bereits bei der Bildung einer Vorstellung von Licht und spätestens beim Einstieg in die Quantenphysik die Rolle der/des Untersuchenden deutlich wird.

Versuche selbst bauen, beobachten und begreifen

Neben der altersbezogenen Stoffauswahl legen wir in den Naturwissenschaften besonderen Wert darauf, dass die Schüler*innen zunächst durch Beobachten und Erleben von Phänomenen an die Zusammenhänge herangeführt werden. Üblich ist es zum Beispiel in der Physik, den Hauptunterricht mit einem Experiment zu beenden. Ohne Einschränkung kann dann jede*r Schüler*in eigene Beobachtungen machen und Schlussfolgerungen ziehen. Erst am nächsten Tag wird das Erlebte wieder aufgegriffen und eventuell zu einer Gesetzmäßigkeit verdichtet. So bauten Schüler*innen einer elften Klasse beispielsweise aus eigenem Antrieb eine Influenzmaschine, die sehr hohe Spannungen von mehreren Kilovolt erzeugen kann (siehe Foto).

Schüler der elften Klasse versuchten aus eigenem Antrieb eine Influenzmaschine zur Erzeugung sehr hoher Spannungen (mehrere Kilovolt) selbst herzustellen.

Das spezifische Waldorf-Vorgehen lässt sich nur mit Hilfe des sogenannten Epochenunterrichts  (ein Themenblock eines Fachs über mindestens drei Wochen in den ersten beiden Stunden unterrichtet) realisieren, da es zum einen nicht sinnvoll wäre, offene Fragen über einen längeren Zeitraum stehen zu lassen. Zum anderen müssten bei gleicher Vorgehensweise in mehreren Fächern zu viele aufgeworfene Fragen belastend auf die Schüler*innen wirken. Daneben kommt es dem menschlichen Naturell vielmehr entgegen, sich für einige Wochen intensiv mit einem Thema zu beschäftigen. Danach darf es wieder etwas in Vergessenheit gelangen, bevor es, neu befeuert, zu einem späteren Zeitpunkt mit einem anderen Entwicklungs- und Interessensstand noch einmal hervorgeholt wird.

Durch die besondere Nähe unserer Schule zur Erlanger Universität fällt es uns leicht, an Veranstaltungen teilzunehmen, die für Schüler angeboten werden. Darüber hinaus gelang es uns schon des Öfteren Gastdozenten oder Wanderausstellungen für einzelne Epochen zu gewinnen und die Schüler so realitätsnah mit Themen in Berührung zu bringen.