Konzentriertes Lernen und Vertiefen am Stück

Epochenunterricht unterstützt unsere natürliche Lernweise

Während der gesamten Waldorfschulzeit beginnt der Morgen mit dem sogenannten Haupt- oder Epochenunterricht. In einer Epoche wird über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen der Stoff eines Faches intensiv und am Stück dargeboten.

Jeden Morgen wird in einer Einheit von 105 Minuten, einer Doppelstunde plus 15 Minuten extra, rund um ein Thema in einem Fach gearbeitet. Dabei beginnt der Hauptunterricht, insbesondere in den unteren Klassen, mit einem rhythmischen Teil, bevor die Kinder über verschiedene Methoden in die Lerninhalte eintauchen. Diese konzentrierte Arbeit ermöglicht jedem Kind, sich mit dem entsprechenden Thema auseinanderzusetzen und nicht mit einem Klingeln aus den Gedanken gerissen zu werden oder nicht ausreichend Zeit zu haben, ein Thema intensiv von vielen verschiedenen Seiten zu beleuchten. Das an einem Tag Gelernte kann über die Nacht mitgenommen und am nächsten Tag gleich weiterverarbeitet werden. Oft kommen die Schüler*innen zu neuen Erkenntnissen und Fragen, die dann am nächsten Morgen direkt in der Klasse diskutiert werden können. Insgesamt umfasst eine meist dreiwöchige Epoche ungefähr so viel Unterrichtsstoff, wie oft in einer Einzelstunde pro Woche über das ganze Jahr erteilt würde.

In den unteren Klassen wird der Epochenunterricht noch von der Klassenlehrerin oder vom Klassenlehrer erteilt und umfasst zunächst Lesen, Schreiben, Rechnen und Formenzeichnen. Daneben wird aber auch Sachkunde in Epochen unterrichtet, wie zum Beispiel eine Handwerkerepoche oder eine Epoche zur Tier- und Pflanzenkunde. In den höheren Klassen wandeln sich einige Fächer wie Schreiben, Rechnen und Heimatkunde zu Deutsch, Mathematik und Geografie. Dazu erweitert sich das Angebot z. B. um Geschichte, Biologie, Physik, Chemie und Kunstgeschichte. So wird beispielsweise in einer Deutschepoche ein spezielles Thema wie „Goethe“ behandelt und passend dazu eine Lektüre gelesen und ein Theaterbesuch geplant.

Fächer, die der regelmäßigen Übung bedürfen, wie die Sprachen oder Musik, Sport und Handarbeit, werden nicht im Epochenunterricht, sondern in den nachfolgenden Fachstunden unterrichtet. Auch für die Fächer Deutsch und Mathematik gibt es zusätzlich zu den Epochen regelmäßige, sogenannte Übungsstunden, in denen eine Festigung und Vertiefung des Stoffes erfolgt.

Insgesamt versuchen wir, einen möglichst abwechslungsreichen Stunden- und Epochenplan zu generieren, bei dem Fächer aufeinander folgen, die die verschiedenen Sinne der Kinder ansprechen. So wird beispielsweise nach einer Fachstunde Englisch vielleicht Eurythmie folgen oder nach Mathematik Metallwerken, nach einer Physikepoche eher Geschichte und nach einer Deutschepoche vielleicht Chemie.

Der Epochenunterricht als zeitliche Übersicht

Im Epochenunterricht konzentriert sich, was Welt und Mensch für uns heute beinhalten und bedeuten. Die Übersicht bildet die Entwicklung des Unterrichts an der Entwicklung des Bewusstseins, Denk- und Urteilsvermögens der Heranwachsenden ab.

Die erste bis dritte Klasse steht so ganz unter dem Motto: „Wir schließen uns die Welt auf.“ Das beinhaltet unter anderem folgende Aspekte: Die Muttersprache entdecken mit Hilfe von Laut, Bild und Buchstaben, Schreiben, Lesen, erste Grammatik, Märchen, Fabeln und das alte Testament. In Rechnen geht es um die Zahlen und ihre Beziehung zur Welt sowie das Grundrechnen. Daneben gibt es gesondert das Formenzeichnen in Form und Bewegung. Das Fach Sachkunde behandelt in den ersten drei Schuljahren zunächst die unmittelbare Umgebung und die menschlichen Tätigkeiten.

In der vierten bis sechsten Klasse wird darauf aufgebaut. Jetzt geht es um „Wir verstehen die Welt“. In Deutsch bedeutet dies selbständiges Schreiben, Grammatik, Sagen und Geschichten, während in Rechnen nun Brüche und Prozente beleuchtet werden. Das Formenzeichnen wandelt sich vom Ornament zur Geometrie. Das Fach Naturkunde beinhaltet nun sowohl Heimatkunde als auch Pflanzen- und Tierkunde, Himmelskunde und die physikalischen Grundkräfte und in Geschichte sehen sich die Schüler*innen die alten Kulturen bis hin zum Römischen Reich an.

In der siebten und achten Klasse wird mit den Gesetzen der Welt gearbeitet. In Deutsch beinhaltet das Sachdarstellung, Grammatik und Stil wie auch Novellen, Dramen, Balladen und Biografien. In der achten Klasse steht dann das große traditionelle Klassenspiel auf dem Lehrplan. Hier erarbeiten sich die Klassen ein Theaterstück, das vom Text bis hin zu Musikuntermalung, Licht, Ton, Kostüm- und Bühnengestaltung gemeinsam erarbeitet und schließlich aufgeführt wird. In Mathematik werden nun Algebra und geometrische Lehrsätze erarbeitet. Im Formenzeichnen und Zeichnen werden erste Perspektiven, Schattenlehre und Sachzeichen gelehrt. Die Naturkunde geht in klare Naturwissenschaft über und beleuchtet in Geografie Europa und die Welt, die Völkerkunde aber auch Themen wie Menschenkunde, Gesundheits- und Ernährungslehre in Biologie sowie erste Physik, Chemie und Wirtschaftskunde. Die Geschichtsepoche sieht die groben historischen Begebenheiten bis zur Gegenwart vor.

In der neunten Klasse umschließt nun unser Blick die Welt. Das umfasst beispielsweise für das Fach Deutsch Inhalte von der Klassik bis zur Moderne sowie Humor und Tragik. In Mathematik stehen die Kombinatorik, die Gleichungslehre und Planimetrie im Fokus. In den naturwissenschaftlichen Fächern sehen sich die Schüler*innen die Geologie, in Biologie die Sinnes- und Stoffwechselsysteme, in Chemie die Naturprozesse und in Physik technische Anwendungen an. Beim Zeichnen geht es vorrangig um darstellende Geometrie. Geschichte wird nun detaillierter und behandelt die Neuzeit mit Ideen, Impulsen und der Wirklichkeit. Besonders beleuchtet wird die deutsche Nachkriegsgeschichte. Ausgleichend wird im Kunstunterricht die bildende Kunst ins Klassenzimmer gebracht und eine große Kunstbetrachtungsepoche angesetzt.

Für die zehnte Klasse ist das Motto, „Unser Blick erfasst die Gesetze der Welt“. Für Deutsch stehen dann Themen wie Sprachgeschichte und die alte Dichtung in Bezug auf die Moderne als Eckpunkte auf dem Waldorflehrplan. Mathematik wird mit Trigonometrie und höheren Rechenarten vertieft, während sich die Schüler*innen in den Naturwissenschaften mit dem Knochensystem und der Morphologie, der anorganischen Chemie und in Physik mit der Mechanik beschäftigen. Für Geografie stehen die großen Punkte Wetterkunde, Klimakunde und schließlich Kartografie im Mittelpunkt. Auf letzteres folgt dann auch das große Vermessungspraktikum. In Geschichte werden nun die alten Kulturen bis hin zur Antike beleuchtet, während im Kunstunterricht die Poetik behandelt wird.

In der elften Klasse wandelt sich dann unser Blick und „durchdringt die Welt“. In Deutsch wird die Stilistik betrachtet, ein Entwicklungsroman bis zur Gegenwart und die Literaturgeschichte. In Mathematik werden nun Vektorgeometrie, Unendlichkeit, Analysis und komplexe Zahlen behandelt. Astronomie, sowie biologische Zellen- und Vererbungslehre stehen in Biologie im Unterrichtsmittelpunkt, während es in der Chemie um die elementare Lehre und in der Physik um Elektrizität geht. Zusätzlich werden die Schüler*innen in Informatik unterrichtet. In Geografie nimmt die Wirtschaftskunde einen großen Teil ein und in Geschichte werden die Wurzeln und das Werden des Abendlandes besprochen. Parallel dazu findet im Kunstunterricht die Moderne Malerei und Musik Raum.

Der Blick wandelt sich noch einmal in der zwölften Klasse und überschaut nun die „Welt als ein Ganzes“. Für die Deutsch-Epoche sind nun Goethes Faust vorgesehen, ein Überblick über die Literaturgeschichte im Ganzen und das umfangreiche und beliebte Zwölftklass-Theaterspiel. Differentialrechnung, Integralrechnung und Wahrscheinlichkeitsrechnung sind jetzt wichtige Themenbereiche in der Mathematik, doch auch die Naturwissenschaften mit Biochemie, Biologie und physikalischer Optik kommen nicht zu kurz. Wirtschaftsgeografie mit dem Schwerpunkt Globalisierung und Universalgeschichte sowie die Gegenwart ergänzen das Portfolio. Im Kunstunterricht entwickeln sich die Schüler*innen weiter und wenden sich nun der Architektur zu.

Für die Prüfungsklassen, egal welchen Abschlusses, heißt es schließlich: „Unser Blick handhabt die Welt“. Das betrifft sowohl die Abiturklasse als auch die Realschulklasse, die mit der Mittleren Reife abschließt. Selbstbewusst, selbstdenkend und realitätsnah gehen unsere Schüler*innen hervorragend und umfassend in alle Richtungen gebildet schließlich in ihre staatlichen Abschlussprüfungen – mit großem Erfolg!

Wenn es Fragen zum Waldorflehrplan unserer Schule gibt, sind für die Oberstufe Frau Kleinen und für den Klassenlehrer*innenbereich der Unter- und Mittelstufe Frau Reiber für Sie als Ansprechpartnerinnen da.