Kunstbetrachtung

Welche Geschichte, Lebenshintergründe und Intention hatte ein*e Künstler*in?

Die ästhetische Betrachtung von Kunst im Unterricht

Zu allen Zeiten war die Auseinandersetzung mit Kunstwerken ein zentraler Aspekt der Kunsterziehung im Schulunterricht, unabhängig von der jeweiligen Zeitströmung oder didaktischen Ausrichtung der Schulform. Die Wege der künstlerischen Auseinandersetzung haben jedoch einen breiten Spielraum. Manchmal findet eine moderate Auseinandersetzung mit einem Werk statt, welche die Vorlage an sich belässt und die Schüler*innen sich dann mittels Kopieren, Variieren oder Modifizieren damit auseinandersetzen lässt. Ein anderer Weg ist die Verwendung des Kunstgegenstandes als Gestaltungsmittel, der schließlich verfremdet, collagiert oder sogar zerstört wird.

In unserer Kunstbetrachtung soll das Werk als solches wahrgenommen, seine Intention und sein Inhalt verstanden werden, kann doch ein Bild oder Objekt schon bei der reinen Betrachtung die Persönlichkeit und das Lebensumfeld der/des Erschafferin/Erschaffers regelrecht visualisieren.

Die Ausführungen Rudolf Steiners lassen den Schluss zu, dass es ihm um deutlich mehr ging als die ästhetische Betrachtung der Kunst aus den verschiedenen Epochen oder eine Bearbeitung aus mehr geschichtlichen Hintergründen heraus.

Deshalb sieht die Arbeitsweise in den Jahrgangsstufen neun bis zwölf an der Waldorfschule vor, dass neben den Lehrer*innen-Vorträgen zunehmend mehr Inhalte durch die Schüler*innen selber erarbeitet werden. Dafür werden die Klassen in Arbeitsgruppen eingeteilt, um innerhalb dieser dann einzeln oder in Teamarbeit Aufgabenstellungen, Text- und Bildinhalte zu analysieren, zu vergleichen oder zu erörtern. Über die Kunstepoche ist eine Epochenarbeit zu erstellen, die neben den Inhalten zur Epoche eine Einführung in den bearbeiteten Unterrichtsstoff und eine Schlussbetrachtung über den eigenen Kompetenzerwerb enthalten sollte.

In der neunten und zehnten Klasse, nach Möglichkeit auch im elften Schuljahr wird die Epoche durch eine Unterrichtsexkursion in ein Museum ergänzt. Im zwölften Schuljahr ist sogar eine siebentägige Kunstreise Bestandteil des Waldorf-Abschlusses. Dafür werden den Schüler*innen und Eltern drei Städte zur Auswahl vorgestellt, die Entscheidung für ein Reiseziel trifft dann jede Klasse selbst.

Fokus Kunst anhand der menschlichen Entwicklung in der 9. Jahrgangsstufe

In der fünfwöchigen Epoche werden die Anfänge der Kunst, die künstlerische Ausdruckfähigkeit des Menschen ab der Steinzeit, die Sesshaft-Werdung der menschlichen Spezies und die Megalithkultur, das alte Ägypten, das antike Griechenland und Rom bis hin zur Frühchristlichen Malerei behandelt.

In der neunten Klasse geht es nun vor allen Dingen darum, die jeweiligen Schwerpunkte der Künste und Stile der einzelnen Epochen zu finden, zu analysieren und Unterscheidungskriterien herauszuarbeiten. Die Bearbeitung der Epochen in der Theorie wird durch intensive praktische Aufgabenstellungen ergänzt, denn das Einüben einer betrachtenden Auseinandersetzung mit Kunst wird durch die Erstellung eigener Zeichnungen besonders gut unterstützt.

Bilder 9. Klasse

Barock und Renaissance im 10. Schuljahr

Inhalt der dreiwöchigen Epoche in der zehnten Klasse sind Renaissance und Barock. Betrachtet werden dabei die Malerei und die verschiedenen Techniken der Druckgrafik. Zunächst wird deren Ursprung in Italien bearbeitet. Es folgt der Fokus auf Maler wie Michelangelo, Raffael und Leonardo da Vinci. Danach gilt es Mittel- und Nordwesteuropa anzusehen. Mit Albrecht Dürer, Peter Paul Rubens, Rembrandt sowie vielen anderen bekannten Künstlern wird der Betrachtungsschwerpunkt nun auf die Veränderungen gelegt, die in der Malerei stattfanden. Hierzu gehören hauptsächlich die Neubewertung von Licht und Schatten sowie die unterschiedlichen Perspektiven, in denen sie sich bewegen.

Die eigentlichen Bildbetrachtung, die im Epochenverlauf anhand der Werke verschiedenster Künstler geübt wird, soll methodisch folgende Fragen klären:

  1. Was ist objektiv auf dem Bild zu sehen, welche Farben herrschen vor?
  2. Wie ist objektiv betrachtet die Komposition der Fakten und Farben?
  3. Wie wirkt das Bild subjektiv auf mich persönlich?
  4. Zum Schluss ist eine Bildaussage zu formulieren, welche die Punkte aus der ersten bis zur dritten Frage, mit allen objektiven und subjektiven Gesichtspunkten, schlüssig miteinander verbindet.

Diese, an Versuchsbeschreibungen der Naturwissenschaft erinnernde Vorgehensweise ermöglicht es den Schüler*innen, an Kunstwerke wertfreier heranzugehen und ihre Empfindungen zu objektivieren.

Objektive und subjektive Betrachtung in der 11. Jahrgangsstufe vertiefen

Die dreiwöchige Epoche beinhaltet die Malerei vom 18. bis ins 21. Jahrhundert. Dabei ist es möglich, für jede Klasse eine individuelle Thematik vorzugeben, um anhand dieser die Malerei der in Frage kommenden Zeit zu betrachten. Die in der zehnten Jahrgangsstufe eingeführte Methode wird in der elften Klasse erneut aufgegriffen und besonders in den Punkten „Wie wirkt das Bild auf mich?“ und der Verknüpfung der objektiven und subjektiven Betrachtungspunkte verfeinert.

In einem Schuljahr lag beispielsweise die Fragestellung „Macht Kunst Politik?“ im Fokus, um Werke von Malern wie Goya, Turner, Delacroix ebenso wie Arbeiten des Impressionismus, Expressionismus und der Moderne zu bearbeiten. Diese für dieses Schuljahr eher zufällig gefundene Fragestellung erhielt durch die Ereignisse im selben Jahr (2010/2011) einen besonderen Charakter. Es lag nahe, den Schüler*innen die Aufgabe zu stellen, eine eigene Komposition zu dieser Thematik zu erstellen. Der von den Schüler*innen eigenständig erarbeitete Bildinhalt wurde auf Papier oder Leinwand dargestellt.

Bilder 11. Klasse

Architektur und Stadtentwicklung im 12. Schuljahr

Thema der fünfwöchigen Epoche sind nun Architektur und Stadtentwicklung, wobei eine exemplarische Betrachtung der Entwicklung von der Antike bis in das 21. Jahrhundert stattfindet.

Den Epochenaufbau bestimmt dabei hauptsächlich das von der Klasse festgelegte Reiseziel, denn die europäischen Städte wie beispielsweise Paris, Rom, Prag, Budapest, Krakau, Warschau, Valencia, Turin oder Rotterdam sind sehr unterschiedlich. Was zeichnet die einzelne Stadt von ihrer Gründung bis heute aus, wie entwickelte sich das Stadtbild und die Architektur? Den vorherrschenden Stilen entsprechend werden die zugehörigen Schwerpunkte gesetzt. Einen großen Raum nehmen die zeitgenössische Architektur und der Städtebau ab dem Zeitalter der Industrialisierung ein.

Um die Komplexität der „Kunstbetrachtung“ darzustellen, werden Verknüpfungen zur Thematik in Geografie, Geschichte und Sozialkunde sowie Mathematik hergestellt – eine fächerübergreifende Herangehensweise.

Kunstepoche 12. Klasse